An early girl boss: Amelia Bloomer
Gesellschaft Großartige Frauen

Amelia Bloomer: Warum jede Sportlerin diese Frau kennen sollte

Am 27. Mai 2018 wäre Amelia Bloomer 200 Jahre alte geworden. Ode an eine Frau, der wir unsere Bewegungsfreiheit zu verdanken haben.

Hast du schon mal versucht, in diesen angesagten knöchellangen Maxiröcken Fahrrad zu fahren? Ich schon, und es war eine Katastrophe. Zum Glück konnte ich später in meine gemütliche Baggy-Pants schlüpfen, als ich aufs Mountainbike gestiegen bin. Sonst hätte ich mich wahrscheinlich umgebracht oder noch schlimmer – das Mountainbiken wieder aufgegeben. Für uns ist es so selbstverständlich, unsere Beine in praktische Hosen zu kleiden, dass kaum vorstellbar ist, wie unerhört, unorthodox und revolutionär es im Jahre 1852 gewesen sein muss. Dem Jahr, in dem Amelia Bloomer ein Bild von sich in weiten, nur von einem kurzen Rock bedeckten Schlabberhosen veröffentlichte.

Im letzten Frühjahr hast du sicherlich einen oder mehrere Artikel zum 200. Geburtstag des Fahrrads gelesen. Wahrscheinlich wurde darin Karl Drais‘ Erfindung als revolutionäre Maschine gefeiert, die die Welt veränderte. Und das hat sie. Wenn da nicht ein kleines Detail wäre, das oft in Vergessenheit gerät: Das Fahrrad war, als es das Licht der Welt erblickte, eine Erfindung nicht für die Menschheit, sondern für Männer. Es dauerte noch viele Jahre, bis sich Frauen das Recht erkämpft hatten, Fahrradfahren zu dürfen – ein Kampf, der in manchen Regionen der Welt noch immer andauert. Das Fahrrad wurde zwar zu einem entschiedenen Motor der Emanzipation, aber das haben wir nicht Drais‘ zu verdanken. Das Fahrrad als Empowerment-Maschine ist das Ergebnis einer anderen Geschichte. Eine Geschichte, die von mutigen Frauen erzählt, die sich nicht scheuten, die Regeln zu brechen.

Amelia Bloomer – Gründerin und Herausgeberin der ersten Zeitung von und für Frauen

Amelia Bloomer war eine Frauenrechtlerin, die Artikel über Wahlrecht und Gleichstellung publizierte. 1849 nahm sie an der ersten Frauenrechtskonvention in Seneca Falls teil, wo sie andere namhafte Aktivistinnen ihrer Zeit kennenlernte, darunter Susan B. Anthony und Elizabeth Cady Stanton. Der Zusammenhalt in der wachsenden Community der Frauenrechtlerinnen ermutigte sie dazu, das Unvorstellbare zu wagen: die Gründung ihrer eigenen Zeitung. In Zeiten, in denen Frauen noch oft unter männlichen Pseudonymen schreiben mussten, um publiziert zu werden, schien das zunächst unmöglich. Doch mit dem Support ihrer Girl Gang gründete Bloomer „The Lily“ – die Zeitung, in dem sie später Bild von Sich in Hosen veröffentlichen sollte, welchem wir unser Recht auf Hosen zu verdanken haben.

„Bloomers“ – so viel mehr als Pluderhosen

Im 19. Jahrhundert mussten Frauen bodenlange Kleider mit tonnenweise Unterröcken tragen, dazu ein Korsett, was das Atmen zur Tortur werden ließ und jede Bewegung fast unmöglich machte. Kritik daran wurde niedergeschmetter: Frauen in Hosen? Das sei gegen die Natur, gegen die göttliche Ordnung, selbst gesundheitliche Risiken wurden heraufbeschworen. Kein Wunder, dass Bloomer mit ihrem Bild einen Nerv traf:

Sobald bekannt wurde, dass ich die neue Kleidung trug, wurde ich von hunderten Briefen von Frauen aus dem ganzen Land überhäuft, die sich nach dem Outfit erkundigten und die Schnittmuster haben wollten. Es bewies, wie bereit und gleichzeitig besorgt Frauen längst waren, die Last der langen, schweren Röcke abzustreifen.
Amelia Bloomer

Sie veröffentlichte die Schnittmuster und trug das Outfit von nun an auf ihren Reisen durch das ganze Land, auf denen sie für das Frauenwahlrecht kämpfte. Die „Bloomers“, wie die neue Mode jetzt genannt wurde, starteten eine weltweite Erfolgsgeschichte. Besonders die ersten Radlerinnen feierten die weiten Hosen, erlaubten sie ihnen doch endlich ungehindert in die Pedale zu treten. Im späten 19. Jahrhundert, sah man Bloomers überall. Ihre Trägerinnen, oft Radfahrerinnen, kamen so auf den Geschmack ungeahnter Freiheit - eine Erfahrung, die ihnen das Selbstbewusstsein gab, noch viel fundamentalere Rechte für sich einzufordern.

Was die wenigsten wissen: Amelia Bloomer war gar nicht die Erfinderin der nach ihr benannten Hosen, und behauptete das auch nie. Libby Miller, die Cousine von Elizabeth Cady Stanton, trug sie zuerst. Alles, was Bloomer tat, war den Style zu übernehmen und ihn in ihrer Zeitung groß herauszubringen. Ihr Verdienst ist es, als Vorbild aufzutreten, zur Nachahmung aufzurufen und das dafür nötige Wissen (die Nähanleitungen) zugänglich zu machen.

Old image of Bloomers costume
Jedes Abenteuer in der Natur beginnt mit einem Paar ordentlicher Hosen – seit 1851

Die Erfindung des Fahrrads – aus weiblicher Perspektive – war nicht der Geniestreich eines Einzelnen. Es brauchte mehr als einen Mann um Frauen das Radfahren zu ermöglichen - genauer gesagt, brauchte es die Teamarbeit einer ganzen Bande rebellischer Frauen, die den Status Quo in Frage stellten, aller Beschimpfungen, Belustigungen und Zweifel zum Trotz. Ihre Geschichte ist ein Lehrstück über das, was es braucht, um Dinge zu verändern: den Drang nach Verbesserung. Sichtbarkeit. Zusammenhalt.

In die Fußstapfen von Amelia Bloomer

Diese Geschichte inspirierte uns dazu, unseren Thinktank nach dem wohl revolutionärsten Stück Stoff in der Geschichte weiblicher Bewegungsfreiheit zu benennen: Bloomers. Unser Ziel ist es, Outdoorsport weiblicher zu machen, Stereotype zu bekämpfen und Diversität zu fördern. Unser Kernprojekt ist der European Women’s Outdoor Summit www.european-womens-outdoor-summit.com, der im September 2019 in Flims in der Schweiz stattfindet. Den Summit haben wir 2017 als Invitational ins Leben gerufen, wegen der großen Nachfrage wird er dieses Jahr allen Interessierten Frauen aus der Outdoorbranche offen stehen: Athletinnen, Kreative, Mitarbeiterinnen aus Industrie und Verbänden, Selbständigen und Unternehmerinnen. Der #EWOS2019 vernetzt diese Frauen untereinander, fördert den Wissensaustausch und gibt ihnen eine einmalige Bühne. Begleitet wird der #EWOS2019 von einem Printmagazin, das im deutschsprachigen Raum verteilt wird. Mit einer Auflage von 100.000 Druckexemplaren und einem Best-of weiblicher Outdoor-Geschichten aus dem europäischen Raum wird es einen neuen Meilenstein markieren.

Die Geschichte geht weiter

Vielleicht werden im Jahr 2051, wenn die Bloomers Hosen 200 Jahre alt werden, Mädchen auf Mountainbikes, Surfbrettern oder in Halfpipes so selbstverständlich sein, dass sie kaum glauben können, dass Frauen im Jahr 2018 in vielen Sportarten noch eine Minderheit waren. Dass sie weniger Preisgelder bekamen, von Wettbewerben ausgeschlossen wurden, um ihren Platz in den Medien kämpfen mussten oder sich mit teilweise minderwertigen „frauenspezifischen“ Equipment herumschlagen mussten. Vielleicht werden irgendwann 51% der Outdoorsportler Frauen sein. Vielleicht wird die Bewegung in der Natur ihnen die Kraft und die Freiheit geben, für ihre Ziele zu kämpfen, genauso wie die Bloomers einst ihren Ur-Ur-Großmüttern. Die Geschichte ist noch nicht vorbei!

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