Gruppenbild aller Teilnehmerinnen
From Flims with love: Die Teilnehmerinnen des 1. European Women’s Outdoor SummitFoto: Andrea Gaspar-Klein
Gesellschaft EWOS

Unsere Geschichte(n) – unsere Zukunft: Das war der 1. European Women’s Outdoor Summit

Die Idee: Eine Netzwerkveranstaltung für Outdoorsportlerinnen

Am Anfang stand die Unzufriedenheit: Oftmals fragwürdige frauenspezifische Produkte. Keine Frauenwertung bei Contests und Wettkämpfen. Sexistische Werbung. Abwesenheit von Frauen in der Medienberichterstattung. Blöde Sprüche. Stereotype, manche davon aus dem letzten Jahrhundert. Abwesenheit von Frauen auf der Leinwand, in Werbung und Videos - und das alles in der Outdoorsport-Branche, in der es doch von starken, selbstbewussten Frauen nur so wimmelt! Das alles, obwohl sich immer mehr Frauen für Outdoor-Sportarten interessieren! Es war klar: wir müssen reden. Und zwar mit möglichst vielen unterschiedlichen Frauen aus dem Outdoor-Business. Ein Thinktank musste her, ein Raum für Austausch, Diskussion und Vernetzung: der European Women’s Outdoor Summit war geboren.

Die Teilnehmerinnen

Der 1. European Womens Outdoor Summit sollte ganz im Zeichen jener stehen, die den Sport durch ihr Wirken mitbestimmen, die für und von ihm leben. Also verschickten wir Einladungen an all die Frauen, die wir kannten oder schon lange mal kennenlernen wollten: Athletinnen, Fotografinnen, Filmerinnen, Guides, Trainerinnen, Abenteurerinnen, Bloggerinnen, Sportwissenschaftlerinnen Journalistinnen und Industrie-Insiderinnen. Wir beschränkten uns dabei nicht auf „unsere“ Disziplin Mountainbiken, sondern luden Vertreterinnen folgender Sportarten ein: Klettern, Wakeboarden, Snowboarden, Ski, Langlauf, Longboarden, Bergsteigen, E-Mountainbike, Standup-Paddling, … So kam eine Gästeliste zusammen, die einen bunten Querschnitt aus den verschiedenen Bereichen der zahlreichen Outdoor-Sportarten darstellte: Die perfekte Ausgangslage für einen fruchtbaren Dialog!

Die Location

Die Destination Flims Laax www.flims.com im Schweizer Kanton Graubünden www.graubuenden.ch erklärte sich begeistert bereit, unser Vorhaben zu unterstützen. Und so konnten die Teilnehmerinnen im „rocksresort“ www.rocksresort.com ihr Domizil zwischen Weltkulturerbe Tektonikarena Sardona, den karibisch anmutenden Seen Laj da Cauma und Laj da Cresta sowie des „Swiss Grand Canyon“, der Rheinschlucht, aufschlagen. Der eigentliche Veranstaltungsort für Präsentationen und Vorträge lag in Flims: das für seine Architektur mehrfach ausgezeichnete „Gelbe Haus Flims“ www.dasgelbehausflims.ch. Die vom Flimser Architekten Valerio Olgiati behutsam neugestaltete Immobilie erstreckt sich über drei Etagen und so konnten wir als Veranstalterinnen die Ebenen geschickt nutzen: zum Come-together, als Workshop-Area und als Präsentationsraum. Die warme Atmosphäre mit viel Holz und weißen Wänden trug unbestritten zum lockeren Ambiente bei.

Die Vorträge

Das Herz des Summits waren Vorträge von Expertinnen aus unterschiedlichen Bereichen. So näherten wir uns dem Genderthema im Outdoorsport aus verschiedenen Perspektiven.

Ulrike Luckmann www.ulrike-luckmann.com, Journalistin und PR-Expertin, stellte Ergebnisse ihrer „SGI Women in Sports“-Studie vor, für die sie das Sportverhalten von 3.200 Frauen untersuchte und resümierte: „Shopping im Sportbereich findet noch nicht statt – für die Branche ist das eine Katastrophe“. Denn Frauen seien eine wachsende, kaufkräftige Zielgruppe, die über 80% der Kaufentscheidungen in einem Haushalt fällen. Ihr Fazit: Frauen in der Outdoorsport-Branche müssen sich ihrer Machtposition bewusst werden, um Veränderungen anzustoßen. Frauen dürften von den Herstellern nicht länger als vorübergehender Trend betrachtet werden, sondern als das, was sie sind: nämlich „das neue China“.

Irmgard Beck www.designit.at, Designerin, ließ hinter die Kulissen der Produktentwicklung blicken und zeigte auf, wie stark Geschlechts-Stereotype den Designprozess prägen. Dabei warf sie die klassische Frage auf: was war zuerst – das stereotype Angebot des Marktes oder die Nachfrage der Zielgruppe? Haben wir schlechte frauenspezifische Produkte, weil Frauen nur wenig Geld ausgeben wollen oder weil ihnen nichts Besseres geboten wird? Beck machte darauf aufmerksam, dass am Ende eines aufwendigen Designprozesses oft eine Einzelentscheidung von einer unbeteiligten (männlichen) Person steht, die innovative Entwicklungen wieder streicht. Erst wenn es mehr Frauen unter Entscheidern, Designern, Produktentwicklungen und im Einkauf gibt, können diese Vorurteile aufgebrochen werden.

Sportwissenschaftlerin Sophie Knechtl referierte über den Unterschied zwischen biologischen und anerzogenen Geschlechtsmerkmalen. Obwohl sich die körperlichen Leistungsunterschiede erst in der Pubertät ausbilden, stellen Studien sich schon bei Kindern geschlechts-stereotyp Unterschiede fest: Mädchen schneiden in koordinativen, Jungs in ausdauernden Bereichen besser ab. Das macht die große Rolle der Sozialisation bei sportlicher Leistung deutlich. Problematisch sei, dass im Sport immer der Mann als Maßstab gelte, weshalb Frauensport oft entwertet werde.

Ines Thoma www.facebook.com/ines.thoma.1, professionelle Enduro-Athletin stellte die Enduro World Series als Beispiel für einen gendergerechten Extrem-Hochleistungssport vor: anders als in vielen anderen Disziplinen haben Männer und Frauen die gleichen Strecken und Zeitvorgaben zu bewältigen. Dies wurde auf Wunsch der Athletinnen so eingeführt, die sich daraus eine gleichwertige Anerkennung ihrer Leistungen versprachen. Mit Erfolg: alle 15 Frauen der von Thoma befragten Top-Fahrerinnen empfinden ihre Disziplin als „gendergerecht“. Doch Thoma zufolge gibt es auch Nachteile: die Zeitvorgaben sollen die besten Männer herausfordern, was sie für die Frauen noch schwieriger zu bewältigen macht. Gerade junge Mädchen würden so abgeschreckt, sich an das Format heranzutrauen.

Jenny Long de.gopro.com, Mitglied im GoPro Mediateam und ehemals bei Moving Adventures für die Auswahl der E.O.F.T – Filme verantwortlich, machte auf die wachsende Nachfrage nach weiblichen Filmproduktionen und Mediainhalten aufmerksam. Während es bei der E.O.F.T in den Jahren 2012/13 nur 34% Besucherinnen gab, seien es in den Jahren 2016/2017 schon 45% gewesen. Besonders auffallend dabei: Frauen kommen nicht mit ihrem Partner, sondern alleine oder mit Freundinnen-Gruppen. Leider gäbe es immer noch wenige Filme aus der weiblichen Perspektive zur Auswahl, was Long auch auf die mangelnde Finanzierung von Frauen-Filmprojekten zurückführt. Ihr Appell an die Teilnehmerinnen: eine spannende Geschichte ersinnen und dann einfach drauflos filmen!

„Shades of Winter“-Schöpferin Sandra Lahnsteiner www.shades-of-winter.com schilderte ihren persönlichen, oft steinigen Werdegang zur Filmproduzentin und begeisterte mit einer spontanen Europapremiere ihres neuesten Films „Crossroads“. Ihr Werdegang machte deutlich, dass niemand zur Filmproduzentin geboren wird, sondern dass es viel Durchhaltevermögen brauche, alle mal klein anfangen und auch Rückschläge dazu gehören. Sie machte Mut, es dennoch zu versuchen.

Christine Prechsel www.munichmountaingirls.de, Gründerin der Munich Mountain Girls, veranschaulichte die große Bedeutung von lokalen Communities für Hobby-Outdoorsportlerinnen. Die Nachfrage nach Austausch mit Gleichgesinnten unter Outdoor-Sportlerinnen sei riesig. Gerade für Neueinsteigerinnen spiele dabei der geschützte Rahmen einer reinen Frauen-Community eine große Rolle. Bei den Munich Mountain Girls hat sich deshalb eine Mischung aus Online-Community via Instagram, eigener Homepage und regelmäßigen Stammtischen bewährt.

Ana Zirner anaswaywest.wordpress.com stellte ihr Projekt „Ana’s Way West“ vor: die Durchquerung der Alpen von Ost nach West in 60 Tagen. Eine persönliche Geschichte, die unter die Haut ging und in Erinnerung brachte, wie großartig Abenteuer in den Bergen sind.

Jacqueline Fritz fritz.media-active.de und Kerstin Rossek www.krossek.de ergänzten eine weitere Perspektive: die von Outdoor-Sportlerinnen mit Geh-Behinderung. Fritz verlor durch einen Arztfehler den rechten Unterschenkel, was sie nicht davon abhält, einbeinig die Alpen zu durchklettern. Rossek ist seit der Kindheit auf den Rollstuhl angewiesen, war lange Leistungssportlerin bis sie das Surfen für sich entdeckte.

Die Snowboarderin und Olympia-Teilnehmerin Sina Candrian sinacandrian.wordpress.com und die beiden Mountainbike-Profis Anita und Carolin Gehrig www.twinsmtbracing.com boten gewissermaßen einen Blick „hinter die Kulissen“, eine persönliche Liebeserklärung an ihre Heimat Flims. Sandra Kirtz von der Flims Laax Falera Management AG brachte mit Zahlen zum Schmunzeln und Nachdenken: Wie viele Werke von Malerinnen hängen in den 10 berühmtesten Museen der Welt? Wie viele Werke berühmter Maler zeigen dafür aber nackte Frauen? Thalia Wettstein, Senior PR-Beraterin bei der Tourismus­organisation Graubünden Ferien, stellte anhand einer großen Karte von Graubünden verschiedene, starke Frauencharaktere des Kantons vor, darunter auch das Ausnahme-Klettertalent Nina Caprez. Sie schloss ihren Vortrag mit dem Portrait einer jungen Frau, die soeben zur Vorsitzenden eines Bauernverbandes gewählt worden war: „Wenn Wandel in diesem ur-konservativen Milieu möglich ist – dann bin ich sehr zuversichtlich, dass er in jeder anderen Branche möglich ist.“

Netzwerken & Rahmenprogramm

Eine kluge Frau sagte einmal „Competition is so 2006 – collaboration ist the future“. Deshalb war den Veranstalterinnen vornherein klar, dass der Anbahnung von Netzwerken so viel Zeit und Raum wie möglich eingeräumt werden sollte. Auf der „Ich suche – ich biete“ Wand war am Ende des Summits kein Platz mehr. Der Präsentations-Tisch quoll über vor Prospekten, Flyern, Magazinen und Visitenkarten der Teilnehmerinnen. Nicht dokumentiert sind die tausenden Geschichten, Gemeinsamkeiten und Unterschiede, die während der Pausen und dem Rahmenprogramm ausgetauscht wurden. Nach dem Motto „Geschichten statt Slogans“ hatte Sandra Kirtz von der Flims Laax Falera Management AG mit viel Detailliebe und Bezug zur Region das Rahmenprogramm gestaltet. Zu den Mittagspausen kam Hannah Singvogel von Bakedicakedi www.bakedicakedi.ch mit ihrem Lunchmobil angedüst und stillte den Hunger der Teilnehmerinnen mit außergewöhnlichen Kreationen. Die geografischen Highlights von Flims standen Samstag Abend auf dem Programm: Sandra führte, gemeinsam mit den drei Flimser Heroines, Sina Candrian, Anita und Carolin Gehrig, die Teilnehmerinnen zum karibisch anmutenden Cauma See. Gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang erreichte die Gruppe die Aussichtsplattform Il Spir am „Swiss Grand Canyon“, der Rheinschlucht. Zum Abendessen trafen sich alle wieder in der Boardwerkstatt von Enlain enlain.com. Gründer Urs Welter weckte mit seinem Vortrag über den Bau eines Holz-Surfbretts großes Interesse. Passion erschmeckbar machten Judith Woodtli und ihr Mann Marc, Projektmanager bei der Flims Laax Falera Management AG: sie zauberten ein veganes Buffet mit Dutzenden Gängen vom Feinsten. Reto Poltera, Mitglied des Vorstands der Weisse Arena Gruppe, ließ es sich nicht nehmen am Sonntag früh pünktlich um 7 Uhr auf der Matte bzw. auf dem Board zu stehen. Insgesamt 7 Earlybirds gab er die ersten Tricks und Kniffe fürs Carver-Board mit auf den Weg. Aufgrund der schlechten Witterung in der Tiefgarage statt auf der Urban Surf Wave. Der Stimmung tat es keinen Abbruch, sondern stachelte an, wieder einmal etwas Neues auszuprobieren und die eigene Komfortzone zu verlassen.

Das Bloomers Crowdsourcing

Zuletzt stellten die Veranstalterinnen noch ihre Vision von Bloomers vor: eine sportarten-übergreifende Plattform für Outdoorsportlerinnen, die vernetzt, informiert und inspiriert – und Outdoorsport aus einem weiblichen Blickwinkel erzählt. Ihre Mission sehen die beiden Bloomers-Gründerinnen in einer Steigerung der Sichtbarkeit, Partizipation und Anzahl der Outdoorsportlerinnen. Nachdem die Gründerinnen im Gespräch mit Industrie-Kunden schon Lösungen für deren Bedürfnisse erörtert hatten, wechselten Röther und Weiß auf die Seite der Nutzerinnen: Mit der bewusst provokativen Frage: „Braucht es so etwas überhaupt?“ stiegen die beiden in das Crowdsourcing ein. Anschließend waren die Teilnehmerinnen aufgerufen, ihre Expertise einzubringen. Stehend, sitzend, kniend, und stets diskutierend behandelten die Teilnehmerinnen bewusst offen gehaltene Fragen wie: „Welche Features braucht eine Plattform?“, „Was muss gegeben sein, damit du von Bloomers profitieren kannst?“, „Welche Medien konsumierst du regelmäßig und warum?“. Ein großer Teil der Antworten fungierte als proof of concept für die beiden Bloomers-Gründerinnen. Ein anderer Teil wiederum förderte neue Erkenntnisse zutage, die die beiden in die weitere Entwicklung von Bloomers miteinbeziehen werden.

Unser Fazit

Wir müssen diskutieren, uns austauschen, uns gegenseitig Mut machen, voneinander lernen, uns vernetzen – denn davon profitieren wir zum Schluss alle. Damit wir sichtbarer werden, damit Stereotype abgebaut werden, damit Vielfalt gewinnt. Das ist das Fazit, das wir Veranstalterinnen aus den zwei Tagen ziehen.

Wir hatten den Summit als Mittel zum Zweck erschaffen und sind selbst überwältigt von der Energie, die er freigesetzt hat. Trotz aller Anstrengung war uns deshalb schon bei der Verabschiedung klar: wir müssen das wiederholen! Und wir werden es – in Flims, im Frühherbst 2019.

Du willst nächstes Jahr dabei sein? Der European Women’s Outdoor Summit 2019 findet im Semptember wieder in Flims statt. Melde dich gleich oben für unseren Newsletter an und verpasse keine Neuigkeiten zum European Women’s Outdoor Summit 2019!

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